Don´t look up

Vor kurzem habe ich den Film „Don’t look up“ angeschaut. Ein irrer Plot: Die Doktorandin Kate entdeckt zusammen mit ihrem Chef, Dr. Randal Mindy, einen Kometen, groß wie der Mount Everest, der direkt auf die Erde zurast. Sie alarmieren das Weiße Haus, sie gehen an die Presse, sie treten im Fernsehen auf, um auf die schreckliche Realität hinzuweisen. Und das mit mehr oder weniger großem Erfolg. Denn viele sagen: „Das sind doch Fake-News!“

Endlich dann doch der Beschluss der Präsidentin: Mit Atomraketen soll der Komet gesprengt werden, bevor er auf der Erde einschlägt. Die Mission läuft – und wird abgebrochen. Warum? Weil der Komet wertvolle Rohstoffe enthält – und die Präsidentin zusammen mit einem reichen Visionär und Technik-Entwickler die wahnwitzige Idee hat, den Kometen im All in kleinere Teile zu zerlegen und diese auf der Erde einschlagen zu lassen, um die Edelmetalle zu gewinnen.

Dr. Mindy, die Doktorandin Kate und mit ihnen viele andere sind entsetzt: „Look up!“ rufen sie. „Guckt nach oben! Da rast ein riesiger Komet auf uns zu und wird die ganze Erde vernichten!“ – „Don’t look up!“, kontern die Präsidentin, der Tech-Guru und all ihre Anhänger. „Guckt nicht nach oben, freut euch lieber auf den Reichtum, den uns der Komet bringen wird.“

Die Sache geht (ganz untypisch für einen amerikanischen Blockbuster) total schief, und für die Menschheit und den Planeten Erde hat das letzte Stündlein geschlagen.

***

Der Film ist wie eine Parabel. Ein Gleichnis.  Es ist ein Film, der einem nachgeht, über den man reden kann, reden muss. Eine junge Frau, 27 Jahre alt, Maskenbildnerin, sagte mir: „Der Film hat mir richtig Angst gemacht. Ich konnte nächtelang nicht schlafen. Weil ich dachte: Genauso ist es. Genau das würde passieren, wenn so ein Komet kommt. Die würden unser Leben riskieren, nur um Profit zu machen. Und eigentlich ist es jetzt schon so.“

Kurz vor Schluss des Filmes folgende Szene: Am Abend, an dem die Welt untergeht, kommen die Protagonisten noch einmal zusammen: Dr. Mindy, seine Frau und seine Söhne. Die Doktorandin Kate und ihr Lover. Auch Teddy, der ehemalige Chef der intergalaktischen Verteidigung, ist dabei. Im kleinen Kreis mit der engsten Familie und den engsten Freunden versammeln sie sich, kochen und essen zusammen. Sie sitzen um einen Tisch herum und tauschen Erinnerungen aus: Erlebnisse, Taten, Worte, Entscheidungen, für die sie dankbar sind. Sie sind auch dankbar, dass sie es versucht haben. Dass sie mit all ihren Mitteln versucht haben, die Katastrophe zu verhindern.

Dann folgt ein kurzes, unbeholfenes Schweigen. Dr. Mindy sagt: „Wir sind nicht so besonders religiös, hier im Haus, aber vielleicht sagen wir jetzt einfach Amen?“ Er blickt zu seiner Frau. „Sieh mich nicht an…“, sagt sie, „ich bin nicht sicher … sagt man einfach Amen?“ Da ergreift der junge Mann an Kates Seite das Wort. Wir haben ihn erst in der zweiten Hälfte des Filmes kennengelernt. Er gehört scheinbar zu den Outlaws, zu denen, denen alles egal ist (wie er selbst sagt), mit seinem Skateboard und seinen leeren Taschen. Er ist evangelikal erzogen worden, hat sich davon befreit – und dann seinen ganz eigenen Zugang zu Gott gefunden.

An diesem letzten Abend der Erde, als keiner der Anwesenden weiß, wie man beten soll, sagt er: „Ich kann das machen. Ich mach das. Mach ich.“ Und dann reichen die sieben Menschen einander die Hände und schließen die Augen. Der junge Mann betet:

„Gütiger Vater, allmächtiger Schöpfer.

Wir bitten dich um deine Gnade trotz unseres Hochmuts.

Um deine Vergebung trotz unseres Zweifels.

Vor allem aber, Herr, bitten wir um deine Liebe,

die uns in diesen dunklen Zeiten Trost spenden möge.

Gib uns die Kraft, deine Taten nach deinem göttlichen Willen

und mit offenem Herzen anzunehmen.

Amen.“

 

Und dann geht die Welt unter.

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Ich wünsche mir, dass es uns in die Seele hineingeprägt wird, zu lieben, die Schöpfung zu bewahren, Frieden zu stiften, um Gerechtigkeit zu ringen, die Wahrheit zu suchen. Und wir uns zusammentun mit Gleichgesinnten – ganz gleich welcher Religion, Kultur oder politischen Ausrichtung. Und auch davon handelt der Film: Wie diejenigen, die die die Wahrheit suchen, zusammen stehen, zusammen kämpfen – und zusammen scheitern.

Was mich an dieser Schlussszene besonders berührt, ist die Sprachlosigkeit all dieser guten Menschen, wenn es ums Letzte geht. Und die Sprachfähigkeit des einen jungen Mannes, der an Gott glaubt:

Beten können. Worte finden für die Hinwendung zu Gott. Das Erlebte transzendieren können. Die Realität in Gottes Dimension gründen können. Gott auf die Erde holen können. Das Leben heiligen können. Die Heiligkeit des Lebens in Worte und Gesten fassen können. Im Leben wie im Sterben gehalten sein bei Gott.

Diese Schlussszene ist richtig lang, fast eine halbe Stunde. Und dazwischen immer wieder Einblendungen von der Schöpfung und vom Untergang der Welt, dem Einschlag des Kometen, der Flutwelle, dem Brand, der Verwüstung. In ihr wird für mich deutlich: Wir brauchen eine spirituelle Sprachfähigkeit. Und zwar eine, die nicht nur innerkirchlich was taugt. Sondern eine, die in der Gemeinschaft von Glaubenden und Nichtglaubenden, von Zweifelnden und Atheisten trägt und hält und verbindet.

Der letzten Satz dieser Tischgemeinschaft, bevor die Flutwelle sie erreicht, stammt von Dr. Mindy, der sagt: „Wir hatten alles, was man sich wünschen kann.“ Diese Erkenntnis kommt ganz am Schluss des Films. Zu spät. Aber für uns als Publikum ist das natürlich nicht der letzte Satz, sondern der erste, nämlich der, mit dem wir uns wieder unserer Lebenswelt zuwenden und uns umschauen: „Wir haben doch eigentlich alles, was man sich wünschen kann.“

Mit dieser Haltung möchte ich heute in den Tag gehen: „Gemeinsam haben wir alles, was man sich nur wünschen kann.“ Lasst uns mit Dankbarkeit und Mut und offenem Herzen einander begegnen, so dass Gott in unserer Mitte Raum gewinnt. Lasst uns die Wahrheit suchen, die Menschen lieben, die Erde bewahren, um Gerechtigkeit ringen und Frieden stiften.

 

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