Glaubensbekenntnis

Ich glaube,

dass die Wahrheit der Liebe den Weg ebnet

und dass die Liebe der Wahrheit den Weg ebnet.

Manchmal prescht eine vor. Und wundert sich und bangt, ob die andere wohl nachkommt oder zurückgeblieben und verloren gegangen ist. Dann ist das Elend groß.

Besser ist es für die beiden, in Tuchfühlung zu bleiben, mit Blickkontakt. Zuweilen Hand in Hand – und etwas langsamer wohl dann – den Weg zu ebnen. 

Einen Weg, den auch wir mitgehen können.

 

Hoffnungsanker

 

Lust, aufs Meer hinaus zu fahren?

Im Christentum haben die drei großen Werte Glaube, Liebe und Hoffnung Symbole zugeordnet bekommen, und das Symbol für Hoffnung ist der Anker.

Die klassische Vorstellung eines Ankers ist aus Metall und hat unten zwei Zacken, die nach oben zeigen.

Es gibt aber noch andere Anker, zum Beispiel den Treib- oder Seeanker.

So ein Seeanker hat Ähnlichkeit mit einem Fallschirm. Er ist an Seilen befestigt und wird vom Boot aus ins Wasser gelassen. Im Prinzip eine Art Tüte, die kaputt ist, also an beiden Enden ein Loch hat. Durch die eine Öffnung fließt ganz viel Wasser rein, durch die andere Öffnung aber nur wenig Wasser wieder raus. So sorgt der Seeanker dafür, dass das Boot sich nicht quer zu den Wellen stellt und kentert. Er stabilisiert das Boot im Sturm und bei wilder See.

Natürlich, wenn man die Kontrolle verloren hat und der Seeanker das Boot stabilisiert, dann fühlt sich das nicht gerade gemütlich an. Das Boot geht mit den Wellen auf und ab, hin und her. Aber es bleibt stabil. Es geht nicht unter.

Wenn so ein Seeanker als Symbol für Hoffnung steht, dann heißt das: Hoffnung stabilisiert. Lässt uns schwierige Zeiten aushalten und durchstehen.

Welchen Mächten vertrauen wir uns eigentlich an, wenn der Sturm tobt? Was ist unser See- oder Treibanker? Welche Hoffnungen halten uns in Balance und geben uns den inneren Halt, den wir im stürmischen Zeiten brauchen? 

Es gibt übrigens noch eine andere Möglichkeit, so einen Seeanker zu nutzen. Und die finde ich ebenso spannend.

Die „Straße von Gibraltar“ ist eine Meerenge und verbindet das Mittelmeer mit dem Atlantik. Sie ist vermutlich eine der am meisten befahrenen Wasserstraßen unserer Welt. An der Oberfläche strömt das Wasser immer von Westen nach Osten, denn das Mittelmeer liegt fast anderthalb Meter tiefer als der Atlantik. Dazu weht auch der Wind meist von Westen her. Schwierig für ein Segelschiff, da durch zu kommen. Wenn es nicht den Seeanker gäbe.

Ja, denn ganz unten, in der Tiefe des Meeres, gibt es eine Gegenströmung. Das salzhaltigere Wasser fließt in den Atlantik. Möglicherweise nutzten Schiffer schon in der Antike diese Gegenströmung: ein Seeanker wurde tief ins Meer hinuntergelassen und zog das Schiff mit sich, durch die Meerenge hindurch ins Weite.

In welchen Tiefenstrom hängen wir eigentlich unseren Hoffnungsanker, um weiter zu kommen, um trotz Gegenwind auf Kurs zu bleiben und trotz aller Engpässe unser Ziel zu erreichen?

Übrigens spricht auch der Philosoph Ernst Bloch in seinem Werk „Das Prinzip Hoffnung“ von einem Strom: Unsere Hoffnungen durchfließen, so schreibt er,  gesellschaftliche Entwicklungen und Kämpfe wie ein „Wärmestrom“ und stärken das „In-Möglichkeit-Seiende“. Unsere dringliche Hoffnung trägt also maßgeblich dazu bei, dass unsere Träume von einer besseren Welt Wirklichkeit werden. Allein darum sollten wir das Hoffen niemals aufgeben.

Song: Du bist der Anker

Die „HEUTE NICHT-Methode“ zum Umgang mit negativen Gedanken

Kennst du schon
die „HEUTE NICHT!-Methode“?

Die geht so:
Wenn ein mieser,
vernichtender Gedanke
auf dich zukommt,
im direkten Anflug,
um sich in deinem Herzen
und deinem Hirn
breit zu machen
und dir diesen Tag
zu verderben,
dann sag zu ihm:
„HEUTE NICHT, mein Freund!
Du hast mir
gestern den Tag verdorben
und vorgestern auch,
und vermutlich wirst du mir
auch morgen den Tag verderben,
aber HEUTE NICHT!“

Und dann gönn dir
diesen schönen, freien Tag!

Und… pst… noch ein Geheimtipp für Profis:
Du musst dem miesen, vernichtenden Gedanken
unbedingt in Aussicht stellen,
dass er morgen wieder kommen
und dich so richtig fertig machen darf.
Ansonsten lässt er sich nicht darauf ein,
dich für einen Tag
in Ruhe zu lassen.
Verweise ihn auf morgen.
Und morgen… da verweist du ihn auf übermorgen.
Und übermorgen… verweist du ihn auf nächste Woche.
Und nächste Woche,
da hat er dich vielleicht vergessen!

Und falls nicht: dann kannst du ihm
(ich sag's laut, damit er es ebenfalls hört)
ja mal einen Tag gönnen, an dem er dich
so richtig fertig machen darf.
Aber NICHT HEUTE!
Morgen. (Vielleicht…) ;-) Pst.

diegutesaat

Von Kirschbäumen, der guten Saat und dem Gedeihen von Projekten

Ich habe einen kleinen Garten. In diesen kleinen Garten habe ich vor ca. fünf Jahren einen Kirschbaum gepflanzt. Er ist bis heute jämmerliche zwölf cm gewachsen. An seinem Standort gibt es eine Handbreit Erde, und darunter nur Lehmgestein. Seit fünf Jahren ist mir dieses Bäumchen ein ständiger Vorwurf. Es wird nie tief wurzeln. Es ist anfällig für Krankheiten. Ohne Dünger wächst es gar nicht. Und im nächsten Dürresommer geht es vermutlich ein. So pflanzt man keinen Baum, oder?

Und so platziert man auch kein Projekt! Eine Idee/ein Projekt braucht guten Boden, es muss gut platziert werden!

Hier sind meine Top 5 für ein gut platziertes Projekt:

  1. Platziere die Idee/das Projekt in ein Team hinein, das richtig Lust auf das Projekt und auf die Zusammenarbeit hat.
  2. Triff die Entscheidung für das Projekt frühzeitig und definitiv.
  3. Stelle ausreichend Ressourcen zur Verfügung.
  4. Kläre die Teamstruktur. Ich sage immer: Hüte verteilen! Wer hat für was die Verantwortung? Wer hat den Hut auf?
  5. Gönne dem Projekt ein phantastisches Marketing.

Wie kommt es, dass trotzdem Kraft verpufft und ein gut platziertes Projekt eingeht? Möglicherweise gibt es Gegenkräfte, und die schauen wir uns jetzt mal an. Dazu zitiere ich ein Gleichnis aus der Bibel:

„Ein Sämann ging aus, um zu säen. Und von dem, was er säte, fiel einiges auf felsigen Boden, und weil es keine tiefen Wurzeln bilden konnte, verdorrte es. Anderes fiel unter die Dornen, und die Dornen erstickten’s. Anderes fiel auf den Weg; da kamen die Vögel und fraßen’s auf. Das übrige aber fiel auf gutes Land, ging auf und wuchs und brachte Frucht, einiges sogar mehr als erwartet. – Hört gut zu, denn das ist wichtig.“ (Jesus, in Matthäus 13)

Die Sache mit dem guten Boden (statt Felsgestein) hatten wir schon. Kommen wir zu den Dornen. Was sind das für Dornen, die eine gute Idee/ein gutes Projekt schon im Keim ersticken, die Kraft rauben und Wachstum verhindern? 

Hier ist meine Top 5 Liste an Dornen:

  1. Lange Sitzungen, in denen Probleme durch Diskutieren nicht kleiner werden. Das einzige, was kleiner wird, sind Zeit und Energie, um die Probleme zu lösen.
  2. Langwierige oder ungeklärte Prüfungs- und Entscheidungswege. Nicht jede Entscheidung ist richtig. Aber nicht zu entscheiden, ist auf jeden Fall falsch.
  3. Kraftzehrende Kolleginnen und Kollegen. Es gibt Leute, die verhindern einen Erfolg. Und diese Leute kriechen immer wieder – wie Dornen – aus dem Boden.
  4. Aufgaben und Termine, die nichts mit dem Projekt zu tun haben.
  5. Schlechte Laune (ganz mieses Dornengestrüpp. Nimmt einem die Lust und die nötige Hoffnung. Was dagegen hilft: Tanzen! Und den passenden Song dafür gibt´s hier: Tanzhaltung!)

Jetzt zu dem, was auf den Weg fällt. Wir müssen das Projekt und das Team schützen. Vor Vögeln, die es auffressen. Und davor, dass es niedergetrampelt, „mit Füßen getreten“ wird.

Hier meine Liste der heftigsten Tritte:

  1. Das Projekt wird immer wieder grundsätzlich oder in Teilen in Frage gestellt.
  2. Das Projekt wird in seiner Bedeutung „downgegraded“: Das Budget wird gekürzt, Mitarbeitende werden abgezogen, im Marketing-Ranking wandert es nach unten.
  3. Neue Entscheidungsträger tauchen auf.
  4. Alle wollen mitreden, und das Projekt wird profillos (es wird sein Profil los)
  5. Mitten im Flow werden Ziele geändert.

Schütze die Idee/das Projekt/das Team vor diesen Tritten! Du weißt nämlich nicht, ob es so einen Tritt überlebt.

Und dann gibt es noch die Vögel, die ein gutes Projekt einfach wegpicken: der aus meiner Sicht absolute Killervogel ist Missgunst. So viel Gutes ist schon durch Missgunst verhindert worden. Wehre diesen Vogel ab, sobald er sich zeigt!

Ja, und dann gilt es, das zarte Pflänzchen beim Wachsen zu unterstützen, das Projekt und das Team zu stärken. Das heißt:

  1. Ermutigen und Orientieren, immer wieder auf das Ziel hin ausrichten
  2. Zwischenerfolge feiern
  3. Entscheidungen treffen, und zwar immer zugunsten des Projekterfolgs
  4. Nachfragen: Wie geht´s euch? Was braucht ihr, damit das Projekt nochbesser läuft?
  5. Und vielleicht das wichtigste: Wachsen lassen.

Wachsen lassen – damit etwas daraus werden kann, das größer ist als die ursprüngliche Idee. Größer als jedes einzelne Teammitglied, größer als das Team, und vor allem: größer als du selbst. Es wird ausstrahlen! Es wird um sich herum Leben hervorrufen. Neue Ideen werden entstehen. Neue Projekte sind schon in Sicht. Neue Ressourcen stehen bereit. Neue Kräfte wollen entdeckt, benannt und freigesetzt werden. Und wenn das geschieht, dann blühst auch du wieder auf.

Free the power!

Berührt

(Predigt zu Mk 5, 35ff. im September 2020 in der Ev. Andreasgemeinde Niederhöchstadt)

Heute geht es um Kraft und Schwachheit. Um Stillstand und Bewegung. Um Einsamkeit und Berührung. Um Verzweiflung und Zuversicht.

Steigen wir ein in die biblische Geschichte von der Tochter des Jairus und der blutflüssigen Frau.

Jesus ist, wie so oft, mit seinen Jüngern im Fischerboot übern See gefahren. Kaum dort angekommen, versammelt sich eine große Menschenmenge um ihn.

Das ist das Setting, jetzt kommt die Geschichte:

… Es kam einer der Synagogenleiter dazu. Mit Namen Jairus. Er sieht Jesus, wirft sich vor ihm nieder und fleht ihn an: „Meine kleine Tochter liegt im Sterben. Bitte komm! Leg ihr die Hände auf, damit sie gerettet wird und am Leben bleibt.“

Der Mann, der hier zu Jesus kommt, gehört zur Dorfprominenz. Er ist Vorsteher des Ortes und der Gemeinde. Er steht somit für ein bestimmtes System, die Wirklichkeit zu deuten, Probleme zu lösen und die Gesellschaft zusammen zu halten. Aber jetzt ist er mit einem Problem konfrontiert, dass er nicht lösen kann. Es geht ans Eingemachte. Es geht um die Grundsäulen seiner Existenz. Es geht um das Leben seiner Tochter. Darum wirft er sich vor Jesus nieder. In aller Öffentlichkeit. Es ist eine Kapitulation. Und zugleich ein Glaubensbekenntnis: „Leg ihr die Hände auf, dann wird sie gerettet.“ Jesus zögert nicht. Er geht mit ihm.

Wenn ich diese Worte höre: „Er geht mit ihm“ – so atme ich innerlich bereits auf. Die Vorstellung, dass Jesus, Inbegriff aller Lebenskraft, mit ihm geht, ist aus meiner Sicht ein Vorwegnehmen dessen, was noch geschehen wird. „Er geht mit ihm“ ist eine Verheißung, ein großer Trost. Warum? Weil ich weiß: Wenn Jesus mit einem Menschen mitgeht, dann wird er ihn nicht im Stich lassen, sondern bis zum Ende und durch das Ende hindurch bei ihm bleiben.

Allerdings: Es kommt zu einer Verzögerung. Die Menschenmenge hat natürlich mitbekommen, dass ihr Orts- und Gemeindevorsteher sich flehentlich Jesus zu Füßen geworfen hat. Also folgen die Leute Jesus auf seinem Weg zum Haus des Jairus. Und umdrängen ihn dabei von allen Seiten. Mitten in dem Gedränge bleibt Jesus plötzlich stehen und sagt: „Jemand hat mich berührt!“ Äh, ja… du wirst von allen Seiten bedrängt. Du wirst ständig berührt.

Aber es war mehr als eine belanglose Berührung. Es war – nahezu magisch. Eine Kraft ist von Jesus ausgegangen, eine „dynamis“, wie es im griechischen Urtext heißt. Jesus hat es gemerkt. Und er sieht sich um: Wer hat ihn berührt?

Eine Frau tritt vor. Heraus aus der Verborgenheit in der Menge, aus der Anonymität. Sie tritt hervor, zitternd und voller Furcht, wirft sich nun, wie zuvor Jairus, vor Jesus nieder und erzählt, was ihr widerfahren ist. Und was sie hier erzählt, ist höchst intim. Es betrifft ihr Innerstes.

Regelblutungen gehören zum Erfahrungshorizont einer Frau. Sie kommen und sie gehen. Sie stehen für das Ende eines Zyklus. Und nach dem Ende kommt der Anfang, der sogar neues Leben ermöglicht. Blutungen jedoch, die nicht mehr aufhören, stehen für ein Ende ohne Ende. Zwölf Jahre lang, das bedeutete: ohne Unterbrechung fließt Lebenskraft von ihr fort. Das hieß nach den damaligen Hygieneregeln auch: Seit zwölf Jahren durfte sie keinen Menschen mehr umarmen, keinen Tisch mehr berühren, ohne dass dieser danach als unrein galt, desinfiziert werden musste. Zwölf Jahre lang ist diese Frau von Arzt und Arzt gerannt, hat viel durchgemacht, ihr ganzes Geld dafür ausgegeben und ist nun total verarmt. Aber es hatte nichts genützt, ihr Leiden ist nur noch schlimmer geworden. Sozial vereinsamt. Wirtschaftlich am Ende. „Wenn ich nur seinen Mantel berühre, werde ich gesund“, spricht diese Frau sich selber zu und rafft sich auf.

Was für ein unglaublicher Akt der Selbstmotivation und der Zuversicht! Nach all dem, was sie durchgemacht hat! Vom äußeren Rand der Gesellschaft, vereinzelt, rafft sie sich auf, überwindet die Menge und alle Konventionen, die sie von Jesus trennen, drängt sich bis zu ihm hindurch, berührt den Saum seines Gewandes und spürt im selben Moment, wie sie innerlich heil wird.

Diese Heilungsgeschichte ist einzigartig im Neuen Testament, denn Jesus tut hier nicht willentlich ein Wunder, sondern das Wunder geschieht – und die Antriebskraft ist die Sehnsucht der Frau. Ihre auf Jesus gesetzte Hoffnung zieht das Wunder gewissermaßen aus ihm heraus (ein schöner Gedanke des Theologen Klaus Douglass, siehe Douglass/Vogt, der Evangelische Patient).

Jesus schaut die Frau an. Und ist sichtlich beeindruckt. Er sagt zu ihr: „Tochter, dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden. Du bist endgültig von deinem Leiden befreit.“

Jesus nennt sie „Tochter“ und erklärt sie damit für zugehörig, nimmt sie in die Gemeinschaft auf. Er heilt nicht nur ihr körperliches Leiden, sondern auch ihr soziales Leiden. „Geh hin in Frieden, du bist endgültig von deinem Leiden geheilt.“ Mit diesen Segensworten sendet er die Frau zurück ins Leben.

Während dieser Unterbrechung, während all dieser Bewegung – die Frau, die sich zu Jesus drängt, ihn berührt – die Kraft, die fließt, von Jesus zu der Frau – Jesus, der sich umdreht – das Bekenntnis der Frau – während all dessen liegt in einem Haus ein sterbendes Mädchen.

Und als Jesus noch mit der Frau spricht, kommt die Nachricht zu Jairus: „Deine Tochter ist gestorben. Bemühe den Lehrer nicht mehr.“

Stillstand.

Ich höre den Vorwurf in ihren Worten: Diese Frau hier, diese Tochter, mag geheilt sein. Eine Frau ohne Namen. Ohne Bedeutung. Aber deine Tochter, die ist jetzt tot. – Die Heilung der einen bedeutet ein zu spät für die andere. Eine Wechselwirkung. Eine Verteilungsfrage: Es kann nicht allen geholfen werden! – Und ich höre die herabsetzende Empfehlung: Bemühe den Lehrer nicht mehr. Den „Lehrer“, den Rabbi. Denn das ist es, was sie in Jesus sehen: einen, der gute Worte findet, die Wirklichkeit zu deuten. Aber mehr auch nicht. Bemühe den Rabbi nicht mehr, lass ihn in Ruhe!

Aber Jesus will bemüht werden! Er deutet Wirklichkeit nicht nur, sondern er schafft sie.  „Fürchte dich nicht“, sagt er zu Jairus, „glaube nur!“

Ein heikler Moment. Beide Seiten reden auf Jairus ein. Die einen, seine engsten Vertrauten, sagen: „Gib auf. Du hast verloren.“ Der andere sagt: „Fürchte dich nicht, glaube nur.“

Wir wissen nichts von dem, was in Jairus in diesem Augenblick vor sich geht. Wir wissen nur: er geht weiter. Zu dem Haus, in dem das tote Mädchen liegt. Und Jesus geht mit ihm. Die Verheißung gilt. Immer. Egal was geschieht: ich geh mit dir.

Im Haus treffen sie auf die Trauergesellschaft, und in der Bibel steht: „Sie weinten und klagten laut.“ Totenklage im damaligen Israel war keine stille Trauerfeier, wie wir sie kennen. Totenklage war laut und gehörte zu den heiligsten Pflichten. Angehörige, Nachbarn, Freunde und selbst Feinde hatten da zu sein und zu klagen. Unterstützt von professionellen Klageweibern und Flötenspielern. Je vornehmer das Haus, desto gellender die Klage. Man raufte sich die Haare und zerkratzte sich das Gesicht.

Mitten hinein in die Todesklage ruft Jesus: „Was soll dieser Lärm, das Kind ist nicht gestorben. Es schläft nur…“

Die Leute, die eben noch lauthals geklagt haben, fangen an zu lachen. Sie lachen Jesus aus.

Jesus wirft sie alle raus. Alle. Nur die Eltern des Mädchens und ein paar Jünger dürfen bleiben. Jesus weiß, dass das Mädchen tot ist. Sie ist aus der Gemeinschaft der Lebenden herausgefallen. Und ebenso wie bei der blutflüssigen Frau gilt nun nach nachmaliger Vorschrift: Nicht anfassen. Aber Jesus hat keine Berührungsängste, weder angesichts gesellschaftlicher Ächtung, noch angesichts des Todes. Er geht zum Totenbett, ergreift die Hand des Mädchens und sagt: „Mädchen, steh auf!“

Diesmal ist es Jesus, von dem die Berührung ausgeht. Ausgehen muss. Denn im Gegenteil zu der erwachsenen Frau ist es dem Mädchen nicht möglich, Jesus aus eigener Kraft zu berühren. Sie brauchte einen Fürsprecher, der für sie zu Jesus lief und ihn herbat: ihren Vater. Und sie braucht Jesus, der zu ihr kommt. Bis an ihr Totenbett.

Jesus nimmt sie bei der Hand und ruft sie aus dem Tod zurück ins Leben. Die Geschichte erzählt: Sofort stand das Mädchen auf und ging ein wenig herum. Und als ob Jesus die Wiederherstellung des wunderbaren, des alltäglichen menschlichen Lebens und Miteinanders unterstreichen will, sagt er: „Gebt ihr was zu essen.“ Aus dem Stillstand des Todes in die Bewegung des ganz alltäglichen Lebens. Sie ging ein wenig herum. Das ist der Neuanfang. Er beginnt mit kleinen Schritten, mit freundlichen Gesten der Fürsorge.

Die Eltern und die Jünger sind außer sich. Eine Totenauferweckung! Jesus schärft ihnen ein, nichts davon zu erzählen. Mir wird nun auch klar, warum er zu den Leuten draußen sagte: Sie schläft nur. Damit es nicht später überall heißt: Er hat eine Tote auferweckt!

Ich möchte, bevor ich schließe, noch ein paar Gedanken mit euch teilen.

Diese beiden Geschichten sind eigentlich eine Geschichte. Und sie erzählt von der Überwindung der Notlage von Frauen, die aus der Gemeinschaft der Lebenden herausgefallen zu sein scheinen.

Sie erzählt von der Kraft der Verzweiflung und der Zuversicht, die eine Frau in Bewegung setzen kann. Um Hilfe zu erfahren. Um gerettet zu werden. In meinen Ohren ist diese Geschichte ein Ruf der Ermutigung an verzweifelte Frauen: Gib dich nicht verloren. Fasse Mut und Zuversicht! Fasse nach dem, von dem Leben und Heilung ausgehen! Es ist der Ruf, herauszutreten aus der vermeintlichen Namen- und Bedeutungslosigkeit: Es ist nicht egal, was aus dir wird.

Und die Geschichte erzählt von Todesschwachheit. Vom Angewiesensein auf einen Fürsprecher. Auf einen Menschen, der auf das Elend hinweist. Der zum Himmel schreit. Und Hilfe holt. In meinen Ohren ist die Geschichte ein Aufruf an die, die einen Namen haben: Von Liebe erfüllt die Stimme zu erheben für Mädchen in Not, die verstummt und erstarrt und herausgefallen sind aus der Gemeinschaft derer, die eine Zukunft haben.

Die Geschichte erzählt von Überwindung von Ausgrenzung und Todgeweihtheit. Und sie erzählt von der Wiederherstellung eines Lebens in Heil und Frieden.

Jesu Wärme, Hingabe und Nähe ermöglichen beiden Frauen den Schritt zurück ins Leben. Es ist ein Geheimnis der Wunder Jesu, dass er die Macht hat, Menschen aus der Umklammerung ihrer äußeren und inneren Begrenzung herauszulösen und sie dem Leben zurückzugeben. Und wie erleichternd: Gott rechnet nicht. Es ist eben nicht so, dass die Kraft Jesu nur für die eine reicht, und die andere geht verloren. Es gibt hier keine Wechselwirkung, keine Umverteilungs- und Zuteilungsfrage. Keine Obergrenze begrenzt Gottes weites Herz. In Jesus wird die überfließende Lebensfülle offenbar. Sie schließt alle Menschen ein. Männer und Frauen. Mädchen und Jungen. Alte und Kinder. Die Ortsprominenz und die Frau ohne Namen.

Wenn wir als Gesellschaft über Zahlen reden: Corona-Zahlen. Impfzahlen. Flüchtlingszahlen. Wirtschaftszahlen – so lasst uns zwischendurch von den Zahlen aufsehen. Und stattdessen zueinander hinsehen. Als Menschen. Ob nah oder weit entfernt. Mit den Augen, die wir im Gesicht haben. Und mit den Augen unserer Herzen.

Lassen wir es zu, dass wir berührt werden. Von der Not anderer Menschen. Lasst uns in Bewegung kommen. Lasst uns Hilfe holen, wo Menschen im Stillstand gefangen sind. Lassen wir uns nicht vorrechnen, dass die Lage hoffnungslos ist. Sie ist es nicht. „Ich gehe mit dir“. Versprochen.

Und geben wir auch uns selbst nicht verloren. Lassen wir uns von unserer großen Sehnsucht bewegen. Suchen wir die Berührung mit dem, von dem wir wissen: Hier ist Leben. Hier ist Hoffnung. Hier ist Heilung.

Übrigens: In der Legende ist der Frau, die Jesus berührt, ein Name zugewachsen: Veronika (oder Berenike – ist eigentlich der gleiche Name). Und er bedeutet: die Siegbringerin.

Dass wir als Siegbringerinnen und Siegbringer zurück ins Leben gehen, dazu segne und berühre uns Gott.

Leben ist jetzt

Ich muss gestehen: als ich begann, den Spiegelartikel „Allein mit dem Virus“ (Nr. 19 / 8. Mai 2021) zu lesen, kamen mir kurz die Tränen. Und dann wurde ich wütend, als ich las: „Inzwischen sind längerfristige Studien erschienen, die belegen, dass sich die Pandemie massiv auf den Alltag von Kindern und Jugendlichen auswirkt.“ Wer erst langfristige Studien braucht, um zu dieser Erkenntnis zu kommen, hat von Kindern und Jugendlichen keine Ahnung. Das lag doch auf der Hand. Aber die politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie waren kurzsichtig und haben die Bedarfe und Rechte von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien nicht priorisiert. Ob das auch daran liegt, dass die politischen Entscheidungsträger rund um die Uhr beschäftigt und im permanenten Austausch mit ihresgleichen sind? Digital und auch analog? Und nicht mehr wissen, wie lang ein Tag, wie lang Wochen, wir lang Monate ohne die Erfahrung von Selbstwirksamkeit werden können? Und ohne die Aussicht auf ein Ende dieses Zustands?

Es wird viel über die Schulen geredet und was diese versäumt haben. Und ich kann das in weiten Teilen bestätigen. Aber ich weiß auch von Schulen und Lehrer*innen, die kreativ wurden und alles daransetzten, Wege zu finden, um die Kids und Jugendlichen, die wir ihnen anvertrauten, bei der Stange zu halten und durch die Krise zu bringen. Ihnen zu ermöglichen, was jetzt Wichtiges zu lernen, anderen zu begegnen, Spaß zu haben, Selbstwirksamkeit und „Gemeinschaftswirksamkeit“ zu erfahren. Ich habe allerdings auch davon gehört, dass Schulen in Deutschland tolle Ideen vorlegten, um Schule zu machen, aber dann wurden diese Ideen von der Politik ausgebremst. Begründung: Es darf keine Ausnahmen geben! Aha. Und warum nicht? Solche Erfahrungen ermüden und rauben allen Beteiligten die Kraft, die sie brauchen, um andere durch die Krise zu führen.

Übrigens halte ich persönlich die Unterscheidung „analog oder digital“, was den Schulunterricht selbst angeht, nicht für so entscheidend. Auf einer Reise durch Australien habe ich die „school of the air“ kennen gelernt. Ein Schulsystem, das schon seit hundert Jahren übers Internet (bzw. früher übers Radio) organisiert ist und zugleich mit dem privaten Lebensumfeld der Schülerinnen und Schüler kooperiert – und erfolgreiche Ergebnisse vorweist.

Wenn ich meinen Sohn frage, was ihm am meisten fehlt, so ist das übrigens nicht die Schule. Es ist seine Freizeit: Parcourstraining, Tanzschule, mit Freunden losziehen. Aus Selbstschutzgründen stellt er sich darauf ein, dass bis zu den Sommerferien mit nichts davon zu rechnen ist. Aber er und seine Freunde machen Pläne für den Sommer. Haben Spaß am gemeinsamen Planen: ein Pfadfinderlager, ein Sommerfest, eine Reise ans Meer…

Es ist erst Mai, doch meine Gedanken sind im Sommer. Und ich erwarte von der Politik, dass sie alles daransetzt, die Sommerferien von Kindern und Jugendlichen zu retten. Alles dafür zu tun, dass in diesen Sommerferien Sport- und Freizeitcamps, Sommerlager und von mir aus auch Lerncamps stattfinden dürfen. Analog. Wir haben die Mittel dazu in der Hand: Wir haben Freizeitheime, die sich nach Kinderfreizeiten und Kinderlachen sehnen – und die genügend Raum für eine vorgeschaltete Quarantänezeit in Kleinst-Gruppen haben. Wir haben Zeltplätze, deren Lagerfeuer auf Stockbrot warten und die genügend frische Luft liefern. Wir haben Sportplätze, die Freiraum bieten, um sich endlich mal wieder so richtig auszutoben. Wir haben Tests, wir haben Quarantänemöglichkeiten, wir haben Impfungen, und wir haben Zeit. Zeit im Überfluss! Gestalten wir sie! Lasst uns nicht länger so leben, als säßen wir im Wartezimmer. Leben ist jetzt. Auch mitten in der Pandemie. Wer weiß, vielleicht wird´s ja noch schlimmer? Vielleicht kommt ja noch ein Supervirus? Dann müssen unsere Kids erst recht ihre Krafttanks wieder aufgefüllt haben! Leben ist jetzt.

Und fragt nicht, wer das bezahlen soll. Es wird höchste Zeit, dass unser gemeinsames Geld dorthin fließt, wo es seine Wirksamkeit entfalten kann wie in sonst vermutlich keinem anderen Bereich: bei unseren Kindern und Jugendlichen.

P.s.: Und falls es der Politik mal wieder an kreativen Ideen fehlen sollte – ruft mich an. Oder die vielen anderen Kreativen im Land, die fast immer einen Weg finden, wenn man ihnen mal ein bisschen Freiheit lässt.

Ein Haus voller Menschen

Anfang März habe ich Geburtstag. Jedes Jahr wieder.

Am 11. März 2020 habe ich in letzten Jahr gefeiert. Nachgefeiert. Ich habe gerade so viele Freunde eingeladen, wie an unseren Tisch passen. 11 Menschen. Ich habe gekocht, festlich gedeckt, Kerzen angezündet und den besten Wein kredenzt, den ich hatte.

Von meinen meinen Gästen hatte ich mir schon im Voraus gewünscht, dass wir gemeinsam ein Lied singen und spielen: House with a crowded table. Diesen Song, den ich auf der RAD-Tagung im Februar 2020 zum ersten Mal gehört hatte und der mich tief berührte. Im September 2019 wurde es rausgebracht, von der amerikanischen Frauenband Highwomen – die Hohen Frauen – oder auch die Hohepriesterinnen. Und im RAD-Schlussgottesdienst wurde der Song so wunderbar von den RAD-Sängerinnen vorgetragen.

Wir haben das Lied bei mir zuhause an meinem großen runden Tisch dreimal gespielt. Zweimal geübt und einmal performed. Klavier, Gitarre, Bass, Cajon, Gesang… Nur für uns selbst. Richtig laut. Das ganze Haus war voller Klang. Und jedes Wort, das wir gesungen haben, meinten wir auch so. In Übersetzung:

„Ich will ein Haus mit einem Tisch voller Menschen, und einen Platz am Feuer für alle. Nehmen wir es mit der Welt auf, solange wir jung und fähig dazu sind. Und dann kommen wir wieder zusammen, wenn der Tag vorüber ist. Die Tür ist immer offen. Dein Bild hängt an meiner Wand. Jeder ist ein bisschen gebrochen. Aber jeder und jede gehört dazu.“

Corona war bereits am Rande Gesprächsthema, zu meinen Gästen gehörte auch ein Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank. Deren Belegschaft gerade ins Homeoffice geschickt worden war. Und wir diskutierten darüber, ob und wie dieses Virus unser Leben verändern könnte. Wenige Tage später kam der erste Lockdown.

Vielleicht, weil es der letzte Abend war, an dem ich mit Freunden gefeiert habe … Vielleicht, weil es das letzte Lied war, dass ich mit anderen zusammen gesungen habe … Ganz real. Ganz laut und nah beieinander … Jedenfalls geht mir das Lied seitdem nicht mehr aus dem Sinn. Und dazu dieses Bild von dem Tisch voller Menschen … Es ist für mich zu einem Hoffnungsbild geworden. Daran werde ich, Miriam, erkennen, dass die Krise vorbei ist: Wenn ich mit meinen Freundinnen und Freunden wieder unbeschwert um einen Tisch herumsitzen und essen, reden, lachen, singen und feiern kann.

In Krisenzeiten entwickeln Menschen Hoffnungsbilder. Auch die Krisenbücher der Bibel sind voll von ihnen, allen voran die Offenbarung des Johannes. Kapitel 7: „Danach sah ich – sieh doch: eine große Menschenmenge. Niemand konnte sie zählen. Es waren Menschen aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen. Die standen vor dem Thron und vor dem Lamm. Sie trugen strahlend weiße Gewänder und hielten Palmenzweige in ihren Händen. Und sie sangen mit lauter Stimme ….“

Ein ähnliches Hoffnungsbild wie meines – eine singende Gemeinschaft – nur viel größer. Ein realer überdimensionaler Gottesdienst, zu dem Hunderthausende kommen und feiern.

Nun kann es natürlich sein, dass wir hier in eine Falle tappen und in der Krisenzeit daraufsetzen, dass es danach wieder so wird wie früher, nur noch viel schöner und größer. Dabei können wir noch nicht wissen, wohin uns die Krise führen wird. Wie unser Leben, wie unsere Gesellschaft, wie unsere Kirche nach der Krise aussehen wird. Wir wollen, dass es gut wird. Aber wie dieses Gut aussieht – das wissen wir noch nicht. Was also ist jetzt zu tun?

Der Text der zweiten Strophe des Songs House with a crowded table lautet übersetzt:

„Wenn wir einen blühenden Garten wollen, müssen wir Blumen säen. Etwas Glück pflanzen und es tief wurzeln lassen. Und wenn wir Liebe säen, werden wir Liebe ernten.“

Ich kann nicht wissen, wie das wachsen wird, was ich jetzt säe. Aber ich säe. Ich weiß noch nicht, wie der Garten später aussehen wird. Aber ich will gute Saat aussähen. Für die Zeit danach. Ich will auf Zukunft hin entscheiden und handeln.

Die stärkste Eigenschaft von Hoffnungsbildern ist: dass sie jetzt schon unsere Verhalten bestimmen. Mein Hoffnungsbild leitet mich: Ein Haus mit einem Tisch voller Freunde – in welcher Form auch immer. Daran werde ich erkennen, dass die Krise vorbei ist. Und was tue ich schon jetzt? Ich pflege meine Freundschaften – noch mal ganz neu. Reaktiviere manche Beziehungen. Ändere in manchen Freundschaften die Dimension, stelle sie auf eine neue, tiefere  Basis. Und freue mich schon jetzt auf auf ein Wiedersehen, nicht nur im kleinen, sondern im großen Kreis!

Woran wirst du erkennen, dass die Krise vorbei ist?

Woran werden wir als Gesellschaft erkennen, dass die Krise vorbei ist?

Was ist dein Hoffnungsbild?

Was leitet dich im Denken und im Tun?

Liebe voller Gott, du weißt, wonach wir uns sehnen … All unseren Dank für das, was uns jetzt an Gutem gegeben ist, und all unseren Schmerz über das, was uns fehlt, und all unsere Hoffnung auf das, was uns in die Zukunft zieht, nehmen wir uns zu Herzen und gehen mutig weiter.

Tanzhaltung

Zum Song geht´s hier!

Mach das Licht aus
schau hinaus in die Nacht
Haben deine Augen sich
an das Dunkel erst gewöhnt
wird das Unscheinbare sichtbar
kleine Wunder: unverzichtbar
Eis auf Gras
Ein halber Mond
Ein Kerzenlicht
Schau hinaus in die Nacht: Stille Pracht

Mach Musik an
Dreh den Regler richtig auf
Tanz alleine, tanzt zu zweit
Tanzt, die ihr im Hause seid
zu den Klängen eures Lebens
zu den Rhythmen eurer Zeit
Glanz im Blick
Die Kraft nimmt zu
mit jedem Schritt
Bis zum Morgen dreh voll auf: Mach ein´n drauf

Mach dir Tür auf
Geh hinaus in den Tag
Fühl die Kälte, sei hellwach
Wirf dein Lachen bis zu Dach
Fang es wieder auf und geh
in die Sonne, in den Schnee
durch den Nebel und den Regen
und die Obstgärten von Stedten
Wink mir zu
Hand voll Glück
Gruß zurück
Neue Hoffnung, lang vermisst: wachgeküsst
Neue Lieder, Lobgesang: Neuanfang
Wir geh´n weiter, Glockenschlag: Neuer Tag

 

Das Corona-Dilemma

Der Mensch ist dem Menschen eine tödliche Gefahr:
Die Frau dem Mann.
Der Freund der Freundin.
Die Tochter dem Vater.
Der Sohn der Mutter.
Das Kind den Großeltern.


Der Mensch ist dem Menschen der einzige Trost:
Die Frau dem Mann.
Der Freund der Freundin.
Die Tochter dem Vater.
Der Sohn der Mutter.
Das Kind den Großeltern.


Gott im Himmel, erbarme dich unser.

Freie Betten

Liebe Bundesregierung!

Zunächst einmal: Ich bin froh und dankbar, dass derzeit die Intensivversorgung von Corona-Patientinnen und -Patienten in Deutschland ausnahmslos möglich ist. Und ich gehe fest davon aus, dass die freien Intensivbetten in unserem Land unseren europäischen Freundinnen und Freunden aus Italien, Frankreich, Spanien und weiteren Nationen selbstverständlich zur Verfügung gestellt werden, um ihr Leben zu retten.

Sollte dies nicht bislang nicht oder nur sehr zurückhaltend der Fall sein, bitte ich darum, das schnellstmöglich zu ändern.

Ich esse dankbar italienische Weintrauben, französischen Käse, spanische Tomaten. Ich erinnere mich an wundervolle Urlaube an den Küsten des Mittelmeeres. Ich freue mich schon jetzt darauf, wieder mit meinen Kindern durch die Straßen Roms zu schlendern und die Geschichte zu atmen, in der auch ich mich gründe. In den Schaufenstern der Modehäuser in Paris zu entdecken, was Stil bedeutet. Die unaufgeregte Gastfreundschaft in Spanien zu genießen, die mir Raum zur Erholung gibt. Die unverwechselbaren Farben griechischer Inseln zu sehen. Diese herrlichen Melodien anderer Sprachen zu hören, auch wenn ich die Worte oft nicht verstehe.

Da ist es doch wohl eine Selbstverständlichkeit, um nicht zu sage eine Ehre, dass wir unsere Dankbarkeit und Verbundenheit ausdrücken und unseren Freundinnen und Freunden freie Betten auf unseren Intensivstationen anbieten können. Jede und jeder bringt ein, was er oder sie hat. Wir haben gerade freien Betten. Also?

Aber vermutlich kann ich mir meine Worte sparen, denn, wie gesagt, ich gehe selbstverständlich davon aus, dass die freien Intensivbetten in unserem Land unseren europäischen Freundinnen und Freunden aus Italien, Frankreich und Spanien und weiteren Nationen zur Verfügung gestellt werden, um ihr Leben zu retten.